Überleben im Musikbusiness in Zeiten von Corona?

March 23, 2020
(Update am Ende des Beitrags)

Liebe Künstler*innen und Autoren*innen, Freund*innen und Kolleg*innen,

es ist ja nie leicht in unserem Business und wir haben gemeinsam schon so manche Krise durchgemacht. Nun ist mit Covid-19 aber ein Ausmaß erreicht, das alles bisher Erlebte für viele von euch und ganz sicher für uns in den Schatten stellt. Mit den anstehenden oder bereits verhängten Lockdowns in zahlreichen Ländern bricht einer der wichtigsten Märkte auf einen Schlag ein – das Live-Geschäft. Was die Touring-Artists unter euch jetzt ganz unmittelbar zu spüren bekommen (wegfallende Gagen, einbrechende Merchverkäufe) werden die Autorinnen und Autoren unter euch mit Verzögerung eines Jahres zu spüren bekommen, wenn nämlich die Konzerttantieme fällig ist. Und ja, wir wissen, dass sehr viele von euch somit gleich doppelt betroffen sind.

Die gute Nachricht ist: Es gibt dieses Problembewusstsein auch in der Politik und man ist gewillt, uns hier beizustehen. Dazu braucht es aber Infos, denn noch gibt es kein allumfassendes Konzept, die versprochene Hilfe auch dorthin zu tragen, wo sie gebraucht wird. Wir sind mit unserem Fachwissen und Erfahrungsschatz bereits im regen Austausch mit Verbänden und Multiplikator*innen. Aber auch wir können nicht jedes Detail aller Lebenswirklichkeiten bedenken und wir sind natürlich nur eine einzelne Stimme. Darum fühlt euch herzlich eingeladen, eure konkreten Betroffenenperspektiven einzubringen! Ihr könnt das bspw. im Rahmen der beiden folgenden Umfragen tun:

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSf3w5LebAGII1I8Jppu0sl_A1SWKjMTZi-fTtGB6mq_2JO3OQ/viewform
https://www.surveymonkey.de/r/XZJSKBZ

Nicht minder wichtig als die unmittelbare Soforthilfe ist natürlich auch, dem drohenden Tantiemenausfall entgegenzusteuern. Wir denken bereits jetzt darüber nach, ob und wie bei der anstehenden Mitgliederversammlung der GEMA am Verteilungsplan geschraubt werden muss, um die Verschiebungen durch die massiven Konzertausfälle zu kompensieren. Wie kann bspw. die als Zuschlag verteilte Plattformvergütung (Youtube, Facebook, etc.) noch gerecht verteilt werden, wenn Urheberinnen und Urhebern im Underground ohne signifikante Rundfunktantieme auch noch die Konzerttantieme wegbricht? Das sauber zu lösen wird eine harte Nuss. Interessierte Parteien (also im Grunde alle stimmberechtigten GEMA-Mitglieder*innen seien hiermit aufgerufen, schonmal den Verteilungsplan zu wälzen und sich für die Debatte fit zu machen!



Alle KSK-Mitglieder*innen unter euch möchten wir auf die Möglichkeit hinweisen, das voraussichtliche Jahreseinkommen unterjährig anzupassen. Den Antrag dazu findet ihr hier.

Für GVL-Mitglieder*innen mit Konzertausfall, die bereits mindestens einmal an einer Verteilung teilgenommen haben, gibt es ein Nothilfetröpfchen in Höhe von 250 Euro, das sicherlich schneller ausgezahlt wird, als die reguläre GVL-Tantieme. Infos und Antrag findet ihr hier.

Wer von euch Steuervorauszahlungen zu leisten hat, oder sonstige Steuerschulden auf der Uhr, kann diese im Moment leichter stunden lassen. Wendet euch direkt an euer zuständiges Finanzamt!

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat versprochen, dass bei Förderprojekten des Bundes (z.B. die Initiative Musik) im Falle eines notwendigen Abbruchs oder der Verfehlung der Ziele des geförderten Projektes aufgrund Corona der bereits ordentlich verwendete Förderbetrag nicht zurückgefordert wird. Soll heißen: Die budgetierte Platte ist gepresst, die budgetierte Promo ist gefahren, aber eure budgetierte Tour fällt aus? Dann müssen ausschließlich die nicht verwendeten Mittel zurückgezahlt werden. Infos hierzu (und zu weiteren Themen rund um Corona und Kulturförderung des Bundes) findet ihr hier.

Wenn euch noch nicht der Kopf schwirrt, dann lest auch gern noch das Statement samt Forderungskatalog unseres Heimatverbandes VUT – Verband Unabhängiger Musikunternehmer*innen.

Ach so, und Grundeinkommen ist ja grundsätzlich eine gute Idee, wie viele von euch aus leidvoller Erfahrung mit schwankender Einkommenssituation im prekären Musikerdasein wissen. Es könnte hier aber auch als kurzfristiges Hilfsinstrument in der Krise wirken. Wenn ihr das auch so seht, dann zeichnet sehr gern diese vermutlich chancenlose Petition mit (die Hoffnung stirbt zuletzt).

Soweit erstmal dazu. Es ist noch viel in Bewegung, wir versuchen euch auf dem Laufenden zu halten. Folgt uns gern auch auf Facebook für Updates.



Bleibt gesund und kreativ! Und stay the frak home!
Euer Kick-The-Flame-Team.


UPDATE (23.03.2020):

Mittlerweile hat die GEMA ein zweistufiges Nothilfeprogramm in Höhe von 40 Millionen Euro angekündigt. Stufe eins („Schutzschirm LIVE“) machen Vorauszahlungen auf Tantiemen aus, die insbesondere Selbstaufführer*innen über die Gageneinbrüche helfen sollen. Aus Perspektive des Musikverlages begrüßen wir diesen Schritt, da aufgrund der im nächsten Jahr absehbaren Tantiemenausfälle Verlagsvorschüsse keine Aussicht haben, in kalkulierbarem Zeitrahmen recoupt zu werden, sich die für Urheber und Verlage mit Verzögerung heranrollende Katastrophe in dieser Hinsicht bereits jetzt auf Autoren auswirkt. Es bleibt insbesondere für die Politik ausdrücklich festzuhalten, dass der Schutzschirm LIVE ein Spiel auf Zeit darstellt und keinesfalls staatliche Hilfe in Form nichtrückzahlbarer Gelder ersetzen kann.

Stufe zwei („Corona-Hilfsfonds“) wird aus Mitteln für Soziales und Kulturförderung bereitgestellt und ist entsprechend ein bedürfnisorientierter Zuschuss für individuelle Härtefälle. Auch hier möchten wir unterstreichen, dass diese Hilfe eine solidarische Maßnahme der GEMA darstellt, die zwangsläufig andere Zuwendungen schmälern wird. Kurzum: es wird erstmal intern umverteilt, um kurzfristige Katastrophen abzuwenden. Genaueres haben wir mittlerweile in einem eigenen beitrag zusammengestellt.

Auch AKM & austro mechana haben gemeinsam mit der Österreichischen Interpretengesellschaft einen Katastrophenhilfsfonds für Musikschaffende aufgesetzt.

Die SUISA prüft derzeit noch die Möglichkeit eigener Nothilfe. Schweizer Musikschaffende seien einstweilen auf das Nothilfeprogramm der Suisseculture Sociale verwiesen, die vom Bundesrat als zuständige Stelle bestimmt wurde und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet wird. Auch hier gibt es aufgrund der Kurzfristigkeit im Moment noch keine konkreteren Informationen.

Die Kolleg*innen vom VUT und auch vom Kreativen Sachsen haben hier und hier jeweils laufend aktualisierte Infos am Start. Außerdem gibt es hier auch eine interaktive Sammlung zahlreicher Hilfsangebote, bereitgestellt vom Bundesverband Kreative Deutschland.

Unsere Freunde von Low Budget High Spirit bieten derzeit allen Abonnenten ihres grundsätzlich empfehlenswerten Newsletters die beiden bisher erschienenen E-Books kostenlos an. Anmelden könnt ihr euch unter anderem auf ihrer Website.

Noch nicht von uns ausgecheckt, aber interessant klingt auch die Talkreihe "Überleben Trotz Kunst" von Michael Ahlers, die es jetzt wohl regelmäßig auf Facebook im Livestream gibt und die sich natürlich mit der Corona-Krise schwerpunktmäßig auseinandersetzen wird.

Bleibt gesund und kreativ! Und werdet bitte nicht müde, die Trommel für nachhaltige Hilfe zu rühren! Unterstützt hier bitte insbesondere die Verbände, die unser Sprachrohr in die Politik sind und als gebündelte Stimmen wesentlich mehr erreichen als hunderte Einzelinitiativen! Es kann aber auch nicht schaden, dennoch eure individuellen Stimmen auf euren Kanälen laut zu machen.

In diesem Sinne...
euer Kick The Flame Team.

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